100 Jahre alt wäre Friederike Mayröcker heuer geworden. Schonungslos beschrieb sie in ihrem uferlosen Werk den Alterungsprozess, ihre wachsende Unsicherheit, aber auch ihre Begeisterung am puren Existieren. Es entstanden faszinierende Sprachbilder berstend voll mit Jugendlichkeit und Frische, mit Härte und Schmerz, mit Lebenslust und Furcht. Regisseurin Luise Voigt bringt sie mit MAYRÖCKER (Punkt), ihrer ersten Inszenierung in Wien, auf die große Bühne.
„zu kurz dieses Leben und wüst und knapp“
„Der Tod ist mein Feind, er ist ekelhaft. Er ist ein Eklat, ein Skandalon, eine Frivolität, eine Schmach, eine Verdammung und eine Herabsetzung des menschlichen Lebens. Und der große Stachel des Todes ist, dass man nicht weiß, wohin es geht.“
100 Jahre alt wäre Friederike Mayröcker heuer geworden. In einer Art Tagebuch schrieb sie in BRÜTT ODER DIE SEUFZENDEN GÄRTEN auf, wie es ihr mit dem Altern ergeht, wie ihre Kräfte versiegen, ihre Sinne schwinden und vor allem, was dieser Verfall in Bezug auf ihre Umwelt und ihre Mitmenschen bedeutet. Selbstsicherheiten lösen sich auf, ein Kippen aus der Welt ist die Konsequenz. Gleichzeitig entsteht so ein Sprechen über jene, die unsicher durch die Welt gehen und Angst haben, in ihr nicht mehr zu Hause zu sein.
Dieses Verhältnis zur Welt steigert sich mit dem Blick auf zeitgenössische Krisen: Alte Narrative haben ausgedient, der Mensch hat sich selbst vom Sockel gestoßen. Stolpern wir bereits alle halbblind und -taub durch eine zu schnelle, zu laute und immer gefährlicher werdende Welt? Friederike Mayröcker zeichnet faszinierende Sinnbilder von Trauer und Kälte, von Härte und Schmerz.
„Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige so lange hinein, bis es Sprache wird.“
Friederike Mayröcker tanzt durch ihren eigenen Kopf, durch die ihr eigenen Assoziationsketten und Erfindungen, und aus jedem ihrer Sätze springt immer wieder Jugendlichkeit und Frische. Immer dabei eine schier unendlich tiefgreifende Lebenslust, eine Begeisterung am puren Existieren, am Raumzeit- Teilen mit Mensch und Tier, und den Pflanzen natürlich. Und dann kommt die panische Angst, nie mehr schreiben zu können.
„Oder hatte ich mir alles nur ausgedacht, war es bloß Einbildung gewesen … vielleicht habe ich mir das alles nur eingeredet, vermutlich alles erfunden von mir …“
Luise Voigt ist Regisseurin, Autorin, Medienkünstlerin und Hörspielmacherin. MAYRÖCKER (PUNKT) ist ihre erste Arbeit in Wien.
Besetzung
Regie Luise Voigt
Bühne Natascha von Steiger
Kostüm Maria Strauch
Musik Friederike Bernhardt
Videoart Stefan Bischoff
Choreographie Minako Seki
Dramaturgie Ulf Frötzschner