SUPER BLACK
Die ganze Nacht der Straße: Das neue Album von Northern Lite.
Eigentlich will man ja nur noch ausschlafen, wenn ein Jahr schon so beginnt. Schon Anfang 2007 dieser Fernsehwahnsinn mit heulender Meute und allem, was die erste Reihe der Musik im Land so zu bieten hat. Auftritt runtergerissen und morgens aus der Aftershow in Berlin gestürzt mit jeder Menge Verheißungen der Musikbranche im Gepäck und einem ungesunden Geschmack im Mund. Normalerweise trennt sich eine Band dann sofort. Wenigstens einer muss in die Entzugsklinik und der Rest arbeitet an der Solokarriere.
Dass Northern Lite noch da sind, muss man ihnen also hoch anrechnen. Und noch etwas: Sie haben ein neues Album gemacht. Super Black. Irgendwann in diesem verregneten Sommer, zwischen den vollgelaufenen Schützenlöchern im Schlamm der vielen Festivals hat die Band um Andreas Kubat etwas gefunden, dass ihr wohl ohne die Müdigkeit und die Sehnsucht nach einem Ende der Erschöpfung nicht begegnet wäre. Die Songs auf Super Black, das im März 2008 bei Universal erscheinen wird, handeln alle davon. Von Bewegung und von vorbeiziehenden Dingen, Gegenden und Gelegenheiten. Die nächtlichen Autobahnen, die verwischten Lichter und die namenlosen Hotels – irgendwann ist alles super black. Dann gibt es keine Lichter mehr. Schwarzes Loch. An diesem Ende der Nacht haben sich Northern Lite für uns umgesehen und sind mit Musik zurückgekehrt, die wieder ein Stück weiter ist. Eindeutiger, noch entschiedener und zwingender als Unisex, ihre letzte Veröffentlichung. Der Sound ihres ganzen Jahres steckt in Songs wie „Nowhere“. Oder in „Different“, einem Stück, in dem es natürlich gleich zu Anfang dunkelt und die ruhige, wavige Dynamik der Musik perfekt zum endlosen Mittelstreifen passt. Zweifel, immer wieder Zweifel und Suche nach Erlösung.
Super Black ist in „My other self“ ebenso, wie in „Enough“, wo sich viel Einsamkeit unter den kräftigen Riffs der Gitarren und der Synthesizer verbirgt. Gerade die pathetischen Momente, die Northern Lite wie eh und je so traumhaft sicher und ohne jede Peinlichkeit mit uns gemeinsam auskosten, schlagen auf Super Black unvermittelt in Selbstgespräche über den Sinn und Unsinn des Weitermachens um. Nicht umsonst haben sie ein Cover von Chris Isaak aufgenommen: Es scheint fast so, als hätte Kubat mit seiner Version von „Please“ die Weite und Verlorenheit der Straßen Amerikas zu uns geholt. Kubats Flehen nach Antworten und Orientierung haben in Kombination mit Boons Sounds und dem reduzierten Spiel der Band eine Dringlichkeit, wie nur erstklassiger Rock sie haben kann. Und eben diese Interpretation macht aus einem einfachen Cover eine Anverwandlung, eine Reminiszenz und leise Zwiesprache.
Aber natürlich stecken in Super Black auch die großen, euphorischen Stunden. Der krachende Applaus und die Fans in den Foren, die endlosen Zugaben auf den Mainstages, die sich für Northern Lite jetzt überall geöffnet haben. Und das ausgepumpte Adrenalin danach. Und diese Emotionen sind es auch, die Super Black vom Deprizeugs der Weltschmerzgepeinigten trennt. Hier wird Dunkelheit energetisch aufgeladen und mit einem Sinn versehen, der kein Ende findet, sondern immer weiter will. Kräftig und rastlos.
Irgendwann im Spätsommer war klar, dass das Material, das wie von selbst zu ihnen gefunden hatte, raus musste. Dann ging es relativ schnell: Martin Buttrich, bekannt durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Größen des Elektrogeschäfts wie etwa Timo Maas, war nach dem ersten Hören sofort bereit, einige Stücke zu produzieren. Für die finalen Arrangements der Gitarren in „Girl with a gun“, „My other self“ oder in „Enough“, haben sie mit Olsen Involtini einen Meister seines Faches verpflichtet, der mit seiner Arbeit dabei half, den Songs von Super Black den Charakter eines einheitlichen musikalischen Bilderzyklus zu verleihen.
Und um der Schwärze Konturen zu geben, haben sie sich bei der Covergestaltung und für das gesamte Artwork von Super Black für eine Zusammenarbeit mit dem in Berlin arbeitenden Künstler Erik Niedling entschieden, der mit seinen aktuellen Fotoarbeiten ein Sujet gewählt hat, das alles andere als Pop ist, Super Black aber trotzdem unglaublich sicher trifft. Niedlings Bilder aus der Serie Formation – großformatige Fotografien von Blüten und Pflanzen aus einem Archivkonvolut der dreißiger Jahre – leuchten selbst und bringen mit ihrer dunklen Melancholie auch die zentralen Themen von Northern Lite zum Leuchten: Kraft, Einsamkeit und die ruhige Dynamik endloser Wiederkehr.