Empathie stand in den letzten Jahren im Fokus der choreografischen Arbeit von Yasmeen Godder. „Anzuerkennen, dass auch andere Personen im Raum sind, die ihre eigenen Erfahrungen machen“, sieht sie als Ausgangspunkt für ein soziales Miteinander auf Augenhöhe. Die Thematisierung von Widersprüchen und Ambivalenzen in der Lebenswelt ihrer israelischen Heimat ist es auch, die Godder zur Zusammenarbeit mit der ägyptisch-irakischen Sängerin Dikla bewogen hat. Eine Kooperation, die bereits unter dem Eindruck der landesweiten Proteste gegen die geplante Justizreform in Israel Anfang 2023 begann und seit Oktober 2023 unter den verschärften Bedingungen des Kriegs gegen die Hamas fortgeführt wurde.
Dikla, ein Star der israelischen Musikszene, wuchs in einer traditionellen jüdisch-ägyptischen Familie auf. Ihr Debütalbum Ahava Musica (zu Deutsch „Musik der Liebe“) dreht sich um die Suche nach der Liebe zu sich selbst: „Ich habe dieses Album geschrieben, während ich durch die Straßen von Tel Aviv streifte. Die endlose Suche nach Liebe und Akzeptanz gab mir die Kraft, es ohne Urteil und Selbstkritik zu schreiben.“ In der Verbindung von Rock mit klassischen arabischen Instrumenten und Rhythmen besingt sie in einem hebräisch-arabisch-englischen Sprachmix sehr persönlich Themen wie Intimität, Einsamkeit und Fantasie. Yasmeen Godder nimmt das Album als Ausgangspunkt, um gemeinsam mit einer Live-Performance von Dikla sowie den Tänzerinnen und Musiker:innen ein performatives Ereignis zwischen Tanzstück und Popkonzert zu erschaffen. Durch den Blick der jeweils anderen gelingt es ihnen so, die gesellschaftliche Verortung ihrer Kunst um neue Ebenen zu erweitern und die vielfältigen Facetten einer kulturell diversen Gesellschaft erfahrbar zu machen.
Eine weitere Inspirationsquelle ist für Godder das Projekt Na’ot Ma’Ba’ad (zu Deutsch „sich gemeinsam bewegen“) ihrer Compagnie, das palästinensischarabische und jüdische Frauen wöchentlich zum Tanzen zusammenbringt, um neue Wege der Kommunikation zu finden, Freude zu teilen und Konflikten direkt zu begegnen. In dieser neuen Arbeit eignet sich Yasmeen Godder mit ihrem so rauen wie spielerischen Bewegungsvokabular scheinbar fixierte Körperbilder an und transformiert sie bis ins Extrem. So gelingt es ihr, Raum für Dialog und Empathie zu schaffen und sprachliche und kulturelle Grenzen ins Wanken zu bringen. Ein Dialog, der nicht auf die Bühne beschränkt bleibt, sondern auch nach einer klanglichen und körperlichen Verbindung zwischen dem Publikum und den Performerinnen sucht. Was entsteht, sind intensive Verbindungen mit faszinierendem Potenzial für Widerstand und Resilienz: ein Befreiungsschlag, wie er gerade jetzt nicht dringlicher sein könnte.
Eine Produktion von Künstler*innenhaus Mousonturm, Schauspiel Frankfurt und Yasmeen Godder Company. Koproduziert von HELLERAUEuropäisches Zentrum der Künste Dresden.
BESETZUNG
Yasmeen Godder Konzept, Choreografie, Regie, Dikla Komposition, Itzik Giuli Dramaturgie, Nadav Barnea Licht, Shahar Avnet Kostüme, Ofer Laufer Bühne, Yoav Brill Animation und Video, Tamar Kisch, Inbal Aloni, Anat Vaadia, Dor Frank, Nur Garabli, Mor Demer, Ilana Sarah Claire Bellahsen, Ofir Yannai, Yael Wachman Tanz, Einat Betsalel Probenregie, Dikla Gesang, Or Kudai Keyboard, Yarden Biton Percussion, Michael Meital Gitarre, Yiftach Shachaf Gitarre, Shauli Izhak Gitarre, Baglama, Oud, Bouzouki, Mattan Goldman Ney, EWI, Ariel Abitbul Darbuka, Yarin Ezra Darbuka, Bandir und zwei Violinist:innen