Joep Beving
16.11.2024
um 19:30 Uhr
/ Wien
JOEP BEVING & MAARTEN VOS
VISION OF CONTENTMENT
Der Pianist Joep Beving und der Cellist Maarten Vos haben Details zu ihrem ersten gemeinsamen Album vision of contentment bekannt gegeben, das am 19. Juli 2024 auf Nils Frahms Label LEITER erscheinen wird. Es folgt auf die Zusammenarbeit an Henosis, Bevings drittem Album aus dem Jahr 2019, das 2018 nach einem gemeinsamen Auftritt in Amsterdam entstand. Die LP, die von Frahm im LEITER Studio im Funkhaus Berlin abgemischt wurde, enthält acht neue Kompositionen und wird sowohl auf Vinyl als auch über alle digitalen Plattformen erhältlich sein. Vorab erscheint am 31. Mai 2024 die erste Single '02:07'.
Während Beving noch nie ein komplettes Album mit anderen Künstler*innen aufgenommen hat, kollaboriert Vos regelmäßig mit Künstler*innen wie Julianna Barwick, Nicolas Godin (AIR) und Alex Smoke. „Gelegentlich treffe ich auf Künstler*innen, zu denen ich eine besondere musikalische Verbindung spüre, was dann zum gegenseitigen Wunsch der Zusammenarbeit führt. Das Erforschen verschiedener kreativer Ansätze und immer wieder neue Arbeitsabläufe kennenzulernen, hat mich inspiriert und stark zu meiner Entwicklung beigetragen“ erklärt Vos. Für Beving wiederum war es ein natürlicher Schritt, der längst überfällig war. „Von Grund auf ein gemeinsames Album zu kreieren, das wollten Maarten und ich schon seit einer Weile angehen", sagt er. „Endlich ergab sich die Gelegenheit, mit ihm Musik zu machen. Ich versuche immer, kleine Welten zu schaffen, in die die Hörer*innen kurzzeitig eintauchen können. Die Arbeit mit Maarten und Nils hat mir ungemein dabei geholfen, dies zu erreichen. Maarten ist ein wahrer Klangkünstler und Nils ist, nun ja... der Meister des Klangs!“
Der Großteil von vision of contentment wurde im Juli 2023 mithilfe von diversem Equipment wie einigen Aufnahmegeräten, verschiedenen Synthesizern, einem Cello und einem Klavier im ‚de Berenpan‘ – einem versteckten Schuppen im Wald außerhalb von Bilthoven, einem kleinen Dorf der niederländischen Provinz Utrecht – geschrieben und aufgenommen. Die beiden Freunde hatten bereits einige Zeit in Bevings Amsterdamer Studio und in Vos' Studio im Funkhaus Berlin verbracht, wobei zwei der Tracks des Albums entstanden sind. Ihre Woche auf dem Land sollte sich aber als besonders fruchtbar erweisen, wenn auch aus traurigen Gründen. Aus ihrer manchmal mitunter düsteren Arbeit, entstand eine universelle Lobrede auf das, was der Pianist „Trost finden in der Akzeptanz des Unvermeidlichen“ nennt. Aber das Album ist weit mehr als das. Es ist auch eine erstaunlich persönliche Hommage an Mark Brounen, einen gemeinsamen Freund und in Bevings Fall langjährigen Manager.
Für Maarten Vos sind die eindringlichen Klänge von vision of contentment „eine Klanglandschaft, die zur fantasievollen Erkundung einlädt“. Das Duo spricht außerdem von Morten Feldman, als einen musikalischen Wegweiser, und nennt Ryuichi Sakamoto und Alva Noto als ‚Mentoren‘. Joep Beving fügt hinzu, er wolle die Zuhörer mit einem einfachen Gefühl der Liebe zurücklassen, und er hoffe, dass das Album bestenfalls „eine Suche nach Harmonie und Verständnis“ ermöglicht, die auch als „ein großes fuck you an Faschisten und Angst“ verstanden werden darf.
Das Album vermittelt gewiss auf mehreren Wegen eine Idee von Ruhe und Gelassenheit, sei es in unserer Welt oder im Jenseits. Es beginnt mit den blechernen Klängen von „on what must be“, dessen anschließender Eno- und Budd-esker Minimalismus, Traurigkeit, Resignation und Schönheit miteinander vermischt. Das Album endet mit „The boat“, einem ruhigen, aber aufmunterndem Stück von dem Beving sagt, es stehe für „den Morgen nach dem Sturm, das Einschätzen der Gezeiten, die Akzeptanz dessen, was vergangen ist, und den Anbruch eines neuen Tages, eines neuen Lebens“.
Zwischen diesen sensiblen ‚Buchenden‘ liegt ein halbes Dutzend Tracks: das geisterhafte, manchmal atonale „Penumbra“, das dumpfe, nostalgische „A night in Reno“ und das amorphe, beunruhigende „Hades“. Vos‘ schwermütige Cello-Klänge auf „The heron“ werden dagegen schnell von einer zauberhaften Klaviermelodie erhellt, die nur durch Geräusche gestört wird, die von einer übernatürlichen Präsenz im Raum zeugen könnten. „02:07“ wiederum spiegelt den Klang eines gut gelebten und zu Ende gehenden Lebens wider, während das Titelstück mit seinen erhabenen, leise epischen neun Minuten die Abwesenheit und Unendlichkeit selbst zu feiern scheint.
Übergänge sind ein zentrales Thema auf vision of contentment, nicht zuletzt, weil zum Zeitpunkt Bevings und Vos‘ Aufnahme-Sessions, ihr Freund Brounen bereits seit drei Jahren gegen den Krebs kämpfte. Und doch, auch wenn sein bevorstehendes Ableben einen Schatten auf das Geschehen warf, so war es doch nicht ausschließlich ein Grund für Traurigkeit. „Das zentrale Thema hier ist die ‚Blaue Stunde‘, die Dämmerung“, erklärt Beving. „Der Übergang von einem Zustand in den anderen, aber auch die Umarmung der Dunkelheit. Mark zeigte eine bemerkenswerte Art und Weise, mit seiner Krankheit und seinem bevorstehenden Ende umzugehen. Er war im Frieden mit seinem Schicksal.“
Vos und Beving konnten ihren Freund in den Tagen vor seinem Tod noch einmal sehen und waren ebenfalls gerade zusammen im Studio, als sie schließlich von seinem Tod erfuhren. Sie griffen sofort zu ihren Instrumenten, um ihre Gefühle in Musik umzusetzen. Dieser Moment ist auf dem tief berührenden „02:07“ festgehalten, benannt nach der Stunde, in der die Nachricht eintraf. Jedes der Stücke auf vision of contentment wird durch Brounens Existenz in ihrem Leben in ähnlicher Weise erhellt. Das Album-Cover zeigt ein Gemälde des kanadischen Künstlers Alex Coma – ein weiterer Freund Brounens –, das dieses familiäre Zusammentreffen noch unterstreicht und dem Album seinen Namen gab.
„Ich wusste sofort, dass es das Bild ist, das diese Platte verkörpert“, sagt Beving. „Der weiße Reiher ist ein Symbol für Weisheit, innere Erkenntnis und spirituellen Wachstum, etwas, das Marks Geisteszustand am Ende seines Lebens gut beschreibt. Das Boot steht für das Schiff, das uns in ein anderes Reich transportiert, die ‚Blaue Stunde‘ symbolisiert die Dämmerung, den Übergang von Dunkelheit zu Licht und umgekehrt. Es ist die glücklichste und zugleich traurigste aller Stunden. Dies zu wissen, die Vergänglichkeit als schönen und wesentlichen Bestandteil des Lebens zu verstehen und zu akzeptieren, führt zu einem Gefühl der Zufriedenheit – ‚to a sense of contentment‘.“
vision of contentment mag stilistisch ganz anders sein als The Durutti Column‘s A Paean to Wilson – Vini Reillys Hommage an seinen eigenen Manager und Factory-Records-Chef Anthony Wilson – aber sie ist ähnlich kathartisch, spirituell erweckend und letztlich voller Liebe.