Yann Tiersen
Er taucht auf seinen oft einsamen Wegen von Stadt zu Stadt, tief in seine fabelhafte Welt wundersamer Klangexperimente ein. Das Ergebnis dieser einzigartigen Reise? Ein neues Album. Was für ein Glück!
In einer Ära der Klimadringlichkeit definiert Yann Tiersen das Touren neu und stellt kapitalistische Normen in Frage. Von seiner einsamen Wintertour durch Europa von Brest nach Tallinn ohne Crew und nur mit seinem Hund als Begleiter - er fuhr in seinem Van nicht schneller als 61 Meilen pro Stunde (ca. 98 km/h), verzichtete auf die üblichen Annehmlichkeiten des Tournee-Konsums (Hotels, Garderobe) und schlief in den Gärten anderer Leute - bis hin zu Reisen an Bord seines Segelboots Ninnog, auf dem er Irland, die Färöer-Inseln, Schottland, die Shetland-Inseln, Wales und Cornwall (und demnächst auch die Arktis) bereiste, hat er seine Musik in außergewöhnliche Landschaften und an intime Orte gebracht, wobei er auf groß angelegte Tourneen verzichtete, um echte Verbindungen zu den örtlichen Crews und Veranstaltern aufzubauen.
Rathlin from a Distance | The Liquid Hour ist ein Album, das in zwei unterschiedliche, miteinander verbundene Teile unterteilt ist, die jeweils ihre eigenen klanglichen Merkmale aufweisen. "Rathlin from a Distance" besteht aus acht Tracks mit introspektivem Klavierspiel. Tiersen erklärt: "Es hat etwas Transformatives, auf dem Meer zu sein. Fernab vom Lärm und der Last der Welt wird man mit den rohen, ungezähmten Kräften der Natur allein gelassen - und mit sich selbst. Es ist ein Raum, in dem man beginnen kann, seine Überzeugungen, seine Identität, sein Geschlecht und sogar die Person, für die man sich gehalten hat, zu hinterfragen. Ich begann, die Erwartungen, Konstruktionen und Rollen, die uns die Gesellschaft auferlegt, loszulassen. Die Wellen verlangen nach Ehrlichkeit". Weiters: "Rathlin from a Distance ist aus dieser Erfahrung heraus entstanden. Jedes Klavierstück ist mit einem Ort verbunden, den wir besucht haben, aber auch mit einem Moment der Meditation. Sie sind Landkarten für das eigene Ich. Sie sollen uns zum Kern dessen führen, was wir sind - nicht zu der Version von uns selbst, die durch gesellschaftliche Erwartungen geformt wurde. Es ist ein Aufruf, sich zu verbinden, verletzlich zu sein und Trost in der Authentizität zu finden, die entsteht, wenn man sich den Kräften um einen herum - und in einem selbst - stellt."
The Liquid Hour ist eine ausgedehnte, genreübergreifende Mischung aus Elektronik und dynamischen psychedelischen Rhythmen. Tiersen erklärt, wie ein Erlebnis am Steuer seines Segelboots mit dem in der Ferne schimmernden Belfast diese fünf Tracks beeinflusst hat: "Ich denke an die blauen Flecken, die die Systeme hinterlassen haben, die gegen uns schleifen, ich fühle die Wut aufsteigen - uralt, roh, elektrisch. Sie brennt durch mich hindurch. Das Wasser wird zu einem Spiegel meiner Wut. Und die Hoffnung. Wir müssen einen Krieg gegen die erstickenden Ranken des Kapitalismus führen, die unsere Wurzeln binden und uns das Licht rauben. Es ist ein Auslöschen von allem, was kaputt ist. Ein Wiederaufbau, Hand in Hand, Herz an Herz, bis kein Platz mehr für Verzweiflung ist. Ich spüre sie in mir anschwellen, diese Energie, diesen Drang zu handeln, sich zu versammeln, zu schreien, sich zu erheben. Denn die Zukunft wartet nicht. Sie ist da - blendend, brillant, geschlechterübergreifend, schimmernd vor Helligkeit. Dies ist für dich. Mit eurer Hoffnung und eurer Wut. Für uns alle, für das, was kommen wird, für das, was wir gemeinsam aufbauen werden. Der Soundtrack zu unserem Aufstand."
Aktuelles Album:
"Rathlin from a Distance | The Liquid Hour" (2025), Everything's calm